Sunday, January 02, 2011

Will Christoph Blocher zurück ins Réduit?
Christoph Blocher, der Spätgeborene, bedauert offenbar, nicht zur "Aktivdienstgeneration" gehört zu haben, die vordergründig mit der Waffe in der Hand, im Hintergrund aber abgeschirmt vor einer Besetzung des Landes durch die Achsenmächte dank umfangreicher wirtschaftlicher Konzessionen, vom ungehinderten Güterverkehr zwischen Deutschland und Italien mittels plombierten Güterwagen auf der Gotthard-Linie bis zum Waschen von Raubgold, das alpine Kernland der Eidgenossenschaft unter Aufgabe des Mittellandes und der Region Basel verteidigt hat.
Wenn er Meinungsäusserungen von Prominenten aus Kreisen der Europäischen Union zur gegenwärtigen und der möglichen künftigen Rolle der Schweiz in Europa als Echo der nationalsozialistischer Propaganda interpretiert, beweist er, dass ein erfolgreicher Unternehmer noch lange kein Politiker ist, der über seinen geistigen Tellerrand hinauszublicken imstande ist. Sein Kommentar zum Juncker-Interview in der ZEIT bestätigen den Verdacht, dass er noch immer der Réduit-Strategie nachtrauert. Auf die seiner Partei, der SVP, nicht sonderlich wohlgesinnten Romands und auf die nach seiner Auffassung unheilbar linken und degenerierten Stadtbasler, deren Industrie immerhin substantiell zum BSP der Schweiz beiträgt, würde C.B. wohl gern verzichten, wenn sich Gelegenheit dazu böte. Es bleibt nur zu hoffen, dass im Wahljahr 2011 die noch verbleibenden wirklich liberal denkenden Bürgerinnen und Bürger dieses Landes dem Condottiere endlich Paroli bieten und weder den antikapitalistischen Schalmeien-Klängen der SP noch der grobschlächtigen, pseudoliberalen und faschistoiden Propaganda der SVP auf den Leim gehen.
Lob der Sterblichkeit
Eloge de la mortalité*


*Version française suivra.


Der deutsche Philosoph Wilhelm Schmid hat in der Neuen Zürcher Zeitung vom 26.Dezember 2010 einen bemerkenswerten Essai über das "Ewige Leben" verfasst. Darin fragt er danach, wie die Menschheit, bzw. die Wenigen, die über die materiellen Mittel verfügen, mittels des heute denkbaren biotechnologischen Fortschritts ihr eigenes Leben unbegrenzt zu verlängern, mit dieser materiellen Unsterblichkeit umgehen sollen. Unter anderem wäre ein Fortpflanzungsverbot zu diskutieren.
Wilhelm Schmids Erwägungen laden dazu ein, sich zunächst einmal nach aktuellen Kandidaten für die materielle Unsterblichkeit umzusehen, ferner, in der Menschheitsgeschichte nach bereits bestehenden Vorstellungen über das Wesen der Unsterblichen zu suchen.
In der ersten Kategorie wird man sehr rasch fündig: Namen wie Vladimir Putin, Silvio Berlusconi, drängen ins Bewusstsein, gefolgt mit erheblichem Abstand von Gerhard Schröder und Nicolas Sarkozy.
Der Abstand zwischen den zwei Spitzengruppen ergeben sich aus den Unterschieden in den materiellen Mitteln.
Suchen wir nun nach Vorbildern für die Unsterblichkeit in der Menschheitsgeschichte, so stossen wir unweigerlich auf die Bewohner des Olymp, die Götterfamilie der griechischen Antike. Diese haben in Varianten vorgelebt, was Wilhelm Schmid unter dem Fortpflanzungsverbot versteht, allen voran der zwar nicht pädophile, wohl aber pädophage Übervater Kronos. Auf die zentrale männliche Figur, Zeus (in der römischen Mythologie Iupiter) treffen alle Eigenschaften zu, über die ein ernstzunehmender Kandidat für das Ewige Leben verfügen muss: unbedingtes Machtstreben und rücksichtsloser Machterhalt, ungehemmte Willkür, grenzenlose bisexuelle Libido, Vergleichen wir nun die Charakteristika der olympischen Götterfamilie mit den im 21.Jahrhundert bereits verfügbaren Kandidaten, kommt unter den Spitzenkandidaten Silvio Berlusconi dem Ideal des Göttervaters Zeus am nächsten. Mag sein, dass seine mediterrane Herkunft ihn dafür besonders qualifiziert. Seine Vorliebe für minderjährige Models und die Präsenz seiner zürnenden Gemahlin Veronica/Hera/Iuno runden das Bild idealtypisch ab.
Nicht von ungefähr trugen Figur und Maske der Rolle des Giove (Zeus/Iupiter) in der Inszenierung der Barockoper La Calisto im Theater Basel (Saison 2009/2010) unverkennbar die Merkmale des Presidente del Consiglio, nämlich glatt nach hinter gekämmtes schwarz gefärbtes Haar und einen weissen Bademantel (als Zeichen sexueller Betriebsbereitschaft).
Inwiefern Vladimir Putin in jeder Hinsicht dem von Silvio Berlusconi vorgegebenen und vorgelebten Ideal entspricht, ist nicht sicher. Möglicherweise liessen sich aus der Figur des knabenhaften, an Ganymed erinnenden Dmitry Anatoljewitch Medwedew, den Putin sich als Staatspräsident "vorangestellt" hat, Hinweise auf eine mehr als monovalente sexuelle Orientierung des russischen Ministerpräsidenten ableiten.
Von den materiellen Mitteln, vom Alter und von der sportlichen Fitness her würde Vladimir "Weltenherrscher" Putin sogar noch leichter qualifizieren als der doch etwas ältlich wirkende, geliftete Silvio B.

Als Sterblicher ohne materielle Mittel zur Erlangung der Unsterblichkeit, und ohne Interesse an der Langeweile, welche die Bewohner des Olymps dazu veranlasst, ständig angestrengt auf bösartige Streiche und/oder sexuelle Attacken gegen die Sterblichen zu sinnen, wünscht sich Osservatore Profano für das eben begonnene Jahrzehnt im Fall der Realisierung der Vorstellungen Wilhelm Schmids vor allem Eines:
Dass die neuen Unsterblichen mittels einer soliden Trägerrakete auf eine feste Umlaufbahn um die Erde oder noch besser auf eine hyperbole Bahn in den Weltraum geschickt und auf ewige Zeiten verbannt werden mögen.
Mittels konfiszierter Milliardengewinne aus Öl-, Diamanten-, Uran-, Kriegsmaterial- Menschen- und Organ-Handel sollte auch den materiell etwas weniger qualifizierten Kandidaten die Unsterblichkeit verliehen werden und diese im Gegenzug verpflichtet werden, als "Heroen" die aus eigenen Mitteln finanzierten Unsterblichen auf ihre Reise begleiten dürfen.
Die Liste der Kandidaten wäre demnach zu ergänzen durch Individuen wie George W.Bush,
Gerhard Schröder, Nicolas Sarkozy und Christoph Blocher (letzerer als unsterblicher Repräsentant der Confoederatio Helvetica).

Warum "Lob der Sterblichkeit"? Schon die Geschichte der Antike im Mittelmehrraum beweist, dass es stets Sterbliche waren, welche wirklich Heroisches, intellektuell und ethisch Hervorrragendes geleistet haben. Nicht materielle Unsterblichkeit, sondern unendlich vielfältigen Leistungen auf dem Gebiet der Philosophie, der Mathematik, der Astronomie, der Physik schliesslich gehören zum unsterblichen Schatz der Menschheit.
Das möge auch in Zukunft so bleiben.