Sunday, February 24, 2008

The uses and misuses of the "NAZI-KEULE"

On February 14, 2008, the editorialist Martin Senti of the "Neue Zürcher Zeitung" complained about the use of the so-called "Nazi-Keule" in a recent exchange of verbal injuries between the President of the Swiss Confederation, Pascal Couchepin, and one of the most outspoken and aggressive protagonists of the Swiss People's Party, Christoph Mörgeli.
In recent political disputes in Switzerland comparisons of present-time extremist tendencies have shown a preference to associate the adversary's position either with Italian fascism or German national socialism.

My repeated suggestion to draw a line of distinctio between the two forms of totalitarism has not been successful for the simple reason that the perception of historical political events and trends of the twentieth century has continued to fade away even in the heads of cultivated journalists.

The visitor of this blog will find a comment to President Couchepin's failure to make the necssary distinction on the blog http://www.arlesheimreloaded.ch, in German ("Sie irren, Herr Bundespräsident") and in French ("à M.le président de la confédération").

A letter to the editor that I wrote in response to the editorialist of NZZ has not been accepted for publication.
Therefore I present it here:

Ich bin grundsätzlich damit einverstanden, dass es historisch unsinnig ist, extremistische Tendenzen in der Schweiz mit dem Nationalsozialismus zu assoziieren.
Richtigerweise haben Sie, Herr Senti, die Absurdität des entsprechenden Vorwurfs von Herrn Mörgeli an die Adresse der
SP, dargelegt. Ich stelle aber fest, dass auch in Ihrem heutigen Text der Nationalsozialismus und der (italienische) Faschismus in einem Atemzug genannt werden, was ebenfalls historisch falsch ist, selbst unter Berücksichtigung der Achse Berlin-Rom.
Der italienische Faschismus war in der Phase seiner grössten Virulenz (und Akzeptanz) antisozialistisch, und stand damit ideologisch in diametralem Gegensatz zur nationalsozialistischen Bewegung in Deutschland, die ja selbst von zeitgenössischen Kommunisten wie Curzio Malaparte (in seinem Buch "Technik des Staatsstreichs", "Technica del Colpo di
Stato" von 1932) als "bestgetarnte kommunistische Bewegung" wahrgenommen wurde.
Benito Mussolini hat nach seiner Wahl als Abgeordneter in der Kammer sein Programm wie folgt definiert:
"Der Staat muss auf seine wesentlichste, einfachste Form zurückgebracht werden. ein gutes Heer haben, eine gute Polizei, eine glatt funktionierende Justiz, und er muss eine den Erfordernissen der Nation gemässe Aussenpolitik betreiben. Alles Übrige soll der Privatinitiative überlassen bleiben..." (Emilio LUSSU: "Marsch auf Rom und Umgebung", Folio Verlag, Bozen, 2007, p.24. , Originalausgabe "Marcia su Roma e Dintorni", Paris 1933).
Der heutige Leser würde zweifellos ein solche Programm als "neoliberal" identifizieren, und so konnte denn auch Mussolini sich mit dem von Lussu beschriebenen ideologischen Ansatz die Bewunderung und die zunächst still-schweigende, später offene Unterstützung der liberalen Kräfte in Italien sichern.
Emilio Lussu, der sardische Föderalist und spätere Minister in der ersten italienischen Nachkriegsregierung De Gasperi, der Mussolini von Anfang an konsequent bekämpft hatte, liefert in seinem Buch eine hervorragende Analyse der
psychologischen und soziologischen Besonderheiten des Aufstiegs des italienischen Faschismus.

Die Tatsache, dass Italien während des Faschismus eine Monarchie geblieben war, dass der König Mussolini absetzen konnte, dass schliesslich die Justiz eine partielle Unabhängigkeit bewahren konnte, hat die Erinnerung an den Faschismus ist in- und ausserhalb Italiens durch dessen Fasasade der "Bonhommie", einer gewissen Eleganz und Modernität verklärt, die Brutalität des Regimes quasi verniedlicht. Zur Ambivalenz gegenüber dem italienischen Faschismus hat auch dessen zum Teil ausgesprochen elegante Architektursprache beigetragen, wie die "Casa del Fascio" des berühmten Architekten Giuseppe Terragni in Como beweist.
Das weichgezeichnete Bild des Faschismus hat auch dazu beigetragen, dass der starke nicht-sozialistische, liberale Widerstand gegen das Regime und dessen hervorragende Repräsentanten wie z.B. der Schwager Emilio Lussus, Max Salvadori, und deren Wirken im heutigen Italien kaum noch bekannt sind.
Mit den Zinsen dieses psychologischen Kapitals und dieser im Gegensatz zu Deutschland fast vollständig verdrängten Vergangenheit wuchern im heutigen Italien die Herren Berlusconi und Fini. Ihre "Forza Italia", "Polo della Libertà"
oder neuestens "Popolo della Liberta" reklamieren für sich das Erbe des Liberalismus, während sie gleichzeitig den aufgeklärten Ordnungsstaat, Conditio sine qua non eines liberalen Staatswesens, verhöhnen.

Man muss blind sein, um die zweifellos vorhandenen Parallelen zwischen dem italienischen Faschismus, seiner
postmodernen Epigonen und der Rhetorik gewisser "Volksparteien" zu übersehen. Dass die NZZ, und leider auch die FDP,
nicht in der Lage oder nicht bereit sind, den ideengeschichtlichen Hintergrund, welcher allen Dementis zum Trotz die
Basis für die hemdsärmelige Polemik zwischen unserem Bundespräsidenten und Herrn Mörgeli bildet, wenigstens zur
Kenntnis zu nehmen, ist bedauerlich.